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Flache Füsse, Plattfüsse, Knicksenkfüsse...

Die Sorge um die gesunde Entwicklung der Füsse ist ein sehr häufiger Grund, warum Kinder in der ärztlichen Praxis vorgestellt werden. Meist werden keine Beschwerden geäussert. Oft sind allerdings die Eltern verunsichert.

Teilweise haben sie selbst in ihrer eigenen Kindheit Erfahrungen mit Einlagen gemacht und möchten nun keinesfalls den richtigen Zeitpunkt für eine eventuell notwendige Behandlung versäumen.

 

Was ist ein Plattfuss? Was ist ein Knicksenkfuss?

Im allgemeinen Sprachgebrauch werden diese beiden Begriffe oft verwechselt oder gleich gebraucht, auch wenn sie unterschiedliche Dinge bezeichnen.

Die meisten Kinder haben allerdings Knicksenkfüsse und keine Plattfüsse. Der Knicksenkfuss ist ein flacher, flexibler Fuss mit abgeflachter Fusswölbung, bei dem zudem die Ferse bei Belastung nach aussen wegknickt. Diese sind in der Regel relativ flexibel. Der Plattfuss ist ebenfalls flach, allerdings deutlich weniger flexibel als der Knicksenkfuss und kann weder aktiv noch passiver ohne weiteres in eine normale Position gebracht werden. Die meisten Kinder haben Knicksenkfüsse. Während die Mehrzahl der Knicksenkfüsse unproblematisch sind, benötigt der Plattfuss meist eine Behandlung. Der Plattfuss fällt in der Regel während der kinderärztlichen Untersuchung im Säuglingsalter auf, der Knicksenkfuss etwas später bei Laufbeginn oder noch später im Laufe der Kindheit.

 

Wie häufig sind Knicksenkfüsse?

In den ersten Lebensjahren kommt der Knicksenkfuss bei 97 % der Kinder vor. Die Häufigkeit nimmt im Laufe der Kindheit deutlich ab. So weisen im Alter von 3 Jahren noch 54% und im Alter von 6 Jahren nur noch 26% der Kinder einen Knicksenkfuss auf.

 

Gewöhnlich weisen Kinder nach der Geburt weiche und etwas plump wirkende Füsse ohne Fusswölbung auf. Stattdessen besteht ein ausgeprägtes Fettpolster an der Fussohle. Im Alter von etwa 2 Jahren ist im Sitzen die Fusswölbung sichtbar. Im Lauflernalter zeigt sich dann bei praktisch allen Kindern das Bild der Absenkung des Längsgewölbes auf der Fussinnenseite. Wir sehen den typischen flexiblen Knick-Senkfuss, der aus diesem Grund auch «physiologischer Knicksenkfuss» genannt wird. Während der ersten 10 Lebensjahre entwickelt sich die Fussforum und -funktion weiter. Eine spontane Korrektur der Fussstellung tritt in der Regel ein. Dennoch gibt es Patienten bei denen diese Entwicklung bis ins Jugend- und Erwachsenenalter ausbleibt und man sich daher entscheiden muss, ob dies als normale Variante oder als Deformität, welche zu Beschwerden führen kann, anzusehen ist.

 

Wie erkennt man Knicksenkfüsse?

Kinder mit Knick-Senkfüssen weisen meist eine Kombination aus dorsalextendiertem, valgisch eingestelltem Rückfuss, abduziertem und proniertem Mittelfuss sowie einen in Relation zum Rückfuss supinierten Vorfuss auf. Diese Merkmale führen zum Verlust der Fusslängswölbung. In der Betrachtung von dorsal erkennt man eine valgische Rückfussachse (Stellung des Calcaneus gegenüber der Tibia). Pathognomonisch ist auch das sogenannte «Too-many-toes Sign» , bei dem man in der Betrachtung von hinten die Kleinzehen seitlich des Fusses sehen kann, was bei gerader Rückfussachse nicht der Fall ist. Die wichtigste Untersuchung im Kindesalter ist aber die Kontrolle des hohen Zehenstandes. Das Fusslängsgewölbe sollte sich aufrichten und die Fersen varisieren, wenn der Patient aktiv aus der Normalstellung in den Zehenspitzen-Stand übergeht. Ferner kann das Längsgewölbe passiv ausgerichtet werden, wenn die Grosszehe dorsal flektiert wird («Jack-Test»). Dies ist Folge der passiven Anspannung der Plantarfaszie.

 

Grundsätzlich unterscheidet man flexible von nicht-flexiblen Knick-Senkfüssen. Ist das mediale Fusslängsgewölbe im Sitzen vorhanden, bei Belastung jedoch abflacht, sprechen wir von flexiblen Knick-Senkfüssen. Entscheidend in der weiteren Beurteilung der Situation ist die Frage, ob das Kind Beschwerden am Fuss angibt, oder ob sich Hinweise für eine Bewegungseinschränkung ergeben. In diesen Fällen sprechen wir von einem symptomatischen Knick-Senkfuss. Eine sorgfältige Untersuchung der Form und Beweglichkeit von Fuss und Sprunggelenk ist immer wichtig, um z. B. eine begleitende Verkürzung der Achillessehne oder die Sonderform eines prominenten Fusswurzelknochens (Os naviculare cornutum) in die Differentialdiagnose mit einzubeziehen. Beim nicht-flexiblen Knick-Senkfuss stellt man hingegen fest, dass die Füsse steif sind und das Längsgewölbe weder im Sitzen, noch im Zehenspitzenstand vollständig aufgerichtet ist. Dies kann Hinweis für eine eingeschränkte Beweglichkeit im unteren Sprunggelenk sein. Im Zehenstand zeigt die Ferse keine Veränderung der Position. Ein solcher Befund ist nicht-physiologisch und oft mit Schmerzen oder einer ernsthafteren Pathologie verbunden. Ursächlich kann z.B. eine Coalitio, d. h. eine atypische knöcherne Verbindung zwischen zwei Fusswurzelknochen sein. Diese Form ist selten und meist ist eine Operation erforderlich. Hartnäckige

Nachtschmerzen oder Schmerzen mit Fieber bedürfen zügig einer weiteren Abklärung. In diesen Fällen muss differentialdiagnostisch an Infektionen oder Tumorerkrankungen gedacht werden. Daneben bedürfen Fussprobleme, denen neuromuskuläre Erkrankungen zugrunde liegen, einer kinderorthopädischen Beurteilung.

 

Muss man den Fuss meines Kindes behandeln? Wenn ja, wie sieht die Behandlung aus?

Die Entscheidung, ob ein Fuss behandelt werden sollte oder nur einer Beobachtung bedarf, ist abhängig von der Symptomatik und vom klinischen Befund. Die radiologische Untersuchung hat primär keinen Stellenwert in der kinderärztlichen Praxis. Die eingeschränkte Beweglichkeit ist oft ein Zeichen für eine zugrundeliegende Fusspathologie, womit der Patient weiter fachärztlich abgeklärt werden sollte. Dann muss entschieden werden ob eine Operation notwendig ist oder nicht. Für den asymptomatischen Patienten, mit einem flexiblen Fuss, ohne Instabilität für das Laufen, ist Beruhigung der Eltern und die Beobachtung die beste Option. Die Behandlung des neuromuskulären Knicksenkfusses unterscheidet sich von der Behandlung idiopathischer, flexibler Knick-Senkfüsse. Der neuromuskuläre Knick-Senkfuss sollte daher, ebenso wie der Hohlfuss, frühzeitig orthopädisch beurteilt werden. Kinder die durch Schmerzen, Müdigkeit oder eine ungewöhnliche Fehlstellung auffallen, sollten ebenso zum Kinderorthopäden überwiesen werden.

Als konservative Behandlungsmethoden stehen Eigenübungen, Physiotherapie, Anpassung des Schuhwerks, Einlagen oder Orthesenversorgung zur Auswahl. Es gibt keine ausreichende Evidenz darüber, dass sowohl  stützende als auch sensomotorische Einlagen die Fussform positiv beeinflussen. Die prophylaktische Behandlung asymptomatischer

Knick-Senkfüsse ist insbesondere im Kleinkindalter nicht gerechtfertigt. Häufiges Barfusslaufen vor allem auf unebenen Böden (Fusserlebnis), spielerische Fussgymnastik und das Vertrauen in die kindliche Eigendynamik sind hier die richtige Strategie. Es ist aber nicht zu bestreiten, dass es gelegentlich im Schulalter Befundkonstellationen gibt, die Zweifel am an sich günstigen Spontanverlauf nahelegen. Diese Kinder empfinden manchmal Beschwerden und klagen über eine gewisse Laufschwäche. Hier sind physiotherapeutisch angeleitete Eigenübungen und die Verordnung von rückfussführenden und medial abstützenden Einlagen im Ausnahmefall gerechtfertigt. Im Gegensatz dazu sollten Einlagen nicht einfach verordnet werden, um dem Druck der Eltern nachzugeben. Angesichts der Kosten und der kontinuierlichen Anwendung ist dies eine unnötig hohe Investition für Füsse, die sich ohnehin meist positiv entwickeln. Im Zweifel sollte man Kontrolluntersuchungen nicht versäumen.

 

Stellt man die Indikation für eine Einlagenversorgung, sollte diese auch kontrolliert werden, um sicherzustellen, dass der Patient auch ein adäquates Hilfsmittel erhalten hat. Einlagen müssen eine gute Fersenfassung aufweisen, damit die Unterstützung im Bereich der Längswölbung überhaupt wirksam sein kann. Sportschuhe mit sehr weichen Sohlen sind nicht geeignet, da der Fuss oft trotz Einlage wegknickt. Zusammenfassend kann man sagen, dass orthopädische Einlagen bei einem schmerzhaften Knick-Senkfuss durchaus einen wichtigen Stellenwert haben.

 

Die subtalare Calcaneus-Stopp-Schraube blockiert die Verkippung des Calcaneus gegenüber dem Talus. Behandlung haben. Auch wenn sie keinen objektiven Einfluss auf das knöchern-ligamentäre Wachstum des Fusses haben, können sie doch nachweislich Beschwerden lindern und die Lebensqualität verbessern.

In den wenigsten Fällen sind Operationen notwendig. In der Regel wird man erst das 10. Lebensjahr des Kindes abwarten, bevor man sich zu einem Eingriff beim flexiblen Knicksenkfuss entschliesst. Die Indikation wird bei eindeutigen Beschwerden und bestimmten radiologischen Zeichen gestellt. Im belasteten Röntgenbild beurteilt man im seitlichen Strahlengang die Abflachung des Fusses mit Einsinken des Talus anhand des Talo-Metatarsale-I-Winkels.

In der dorso-plantaren Projektion zeigt ein ausgeprägter Pes planovalgus eine talo-naviculare Subluxation nach medial mit unbedecktem talaren Gelenksknorpel. Das Rückfussalignement wird durch die Messung der Achse zwischen Tibia und Calcaneus objektiviert. In den letzten Jahren hat sich eine Operationstechnik etabliert, die wenig aufwendig ist und auf Versteifungen und grosse Osteotomien verzichtet. Mittels einer Schraube, die im Randbereich des unteren Sprunggelenkes über einen kleinen Zugang eingebracht werden kann, wird die vermehrte Eversion des Calcaneus gegenüber dem Talus funktionell blockiert. Mit dem weiteren Restwachstum des Fusses kommt es in vielen Fällen zu einer Aufrichtung der Fusswölbung, die auch dann bestehen bleibt, wenn man die Schraube nach einigen Jahren wieder entfernt. Wir bevorzugen dieses Verfahren, weil es wenig invasiv ist, schnell Effekte zeigt und die jungen Patienten nur gering beeinträchtigt. Erste Langzeitresultate bestätigen die positive Einschätzung. Grosse knöcherne Eingriffe bleiben schwereren Fussdeformitäten vorbehalten, wie z. B. dem nicht-flexiblen oder kontrakten Plattfuss. Hierbei handelt es sich um pathologische Formen, bei denen der Fuss auch ohne Belastung keine Längswölbung aufweist, schmerzhaft und/oder kontrakt ist. Dies ist auch das wichtigste Unterscheidungsmerkmal zum entwicklungsbedingten Knick-Senkfuss, welcher

Gegenstand dieses Artikels war.

 

Zusammenfassung

Der flexible Knick-Senkfuss ist im Kindesalter überaus häufig anzutreffen und stellt insofern eine altersphysiologische Durchgangsform dar. Die Kenntnis der normalen Entwicklung, gute Beobachtung und eine genaue klinische Untersuchung sind der Schlüssel für eine korrekte Beurteilung. Die Behandlung flexibler Knick-Senkfüsse ist nur bei Beschwerden oder funktionellen Einschränkungen sinnvoll. Symptomatische Patienten sowie Patienten mit anatomischen Auffälligkeiten sollten genauer abgeklärt und kinderorthopädisch überprüft werden. Sowohl die Einlagenversorgung als auch operative Massnahmen können Schmerzen und die Funktion verbessern. Insgesamt ist die Evidenz für konservative und operative Massnahmen jedoch niedrig. Weiterhin muss daran geforscht werden, den natürlichen Verlauf asymptomatischer Knick-Senkfüsse bis ins Erwachsenenalter zu verstehen.

 

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Kinder- und Jugendorthopädie

Dr.med. Bernhard Speth

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